Winterzeit ist Museumszeit! Im Ruhrgebiet gibt es neben zahlreichen Kunst- und naturkundlichen Museen auch eine große Dichte an Industriedenkmälern, die die Arbeitergeschichte der Region anschaulich darstellen. Sei es Bergbau, Schwerindustrie oder Zeugnisse der Ingenieurskunst – im 19. Und 20. Jahrhunderte boomte die Metropolregion Rhein-Ruhr.
Heute führt die „Route Industriekultur“ als touristische Themenstraße zu den 56 wichtigsten und attraktivsten Industriedenkmälern, davon 27 Museen. Auch per Rad lassen sich die Sehenswürdigkeiten erkunden, denn ein 700km langes Radwegenetz verbindet die Ankerpunkte. Die Hauptattraktionen werden mit braunen Hinweisschildern kenntlich gemacht und auch UNESCO und Denkmalschutz zeichneten einige der der Museen und Denkmäler aus. Eine gute Übersicht über die Attraktionen bietet der Entdeckerpass der Route Industriekultur.
links: Hinweisschild für Sehenswürdigkeiten
rechts: Übersichtskarte der Route Industriekultur
Einige meiner Favoriten möchte ich euch vorstellen:
Zeche & Kokerei Zollverein in Essen
DAS Symbol des Ruhrgebiets und seit 2001 UNESCO-Kulturerbe – nicht nur zu Zeiten der Kulturhauptstadt 2010. Das umfassende Gelände der Zeche Zollverein mit zahlreichen Fördertürmen, Schachtanlagen, vollständig erhaltener Kokerei etc. ist beeindruckend. Das architektonische Bauhaus-Ensemble ist geprägt durch eine symmetrische Gebäudestruktur, die der Zeche Zollverein den Beinamen „schönste Zeche der Welt“ eingebracht hat.
Durchgestaltet bis in die Details der Lampen, Treppengeländer und Türgriffe ist der komplett erhaltene Komplex von Zeche und Kokerei Zollverein ein Gesamtkunstwerk und repräsentiert exemplarisch die soziale, ökonomische, ästhetische und industrielle Geschichte des Kohle- und Stahlzeitalters.
ZOLLVEREIN
Erleben kann man die Zeche und Kokerei Zollverein auf zahlreichen, thematischen Führungen, in den dazugehörigen Museen oder sogar ganz leger im Winter auf der Eislaufbahn oder beim Eisstockschießen.
Zusätzlich gibt es rund ums Jahr ein abwechslungsreiches Kulturprogramm mit Konzerten, Events und Sonderausstellungen.
Die schönste Zeche der Welt – Zollverein
Altes Schiffshebewerk Henrichenburg
Das alte Schiffshebewerk Henrichenburg ist das spektakulärste Bauwerk am Dortmund-Ems-Kanal. Die Schleuse war in der Lage, die damals üblichen Dortmund-Ems-Kanal-Normalkähne von 67 m Länge, 8,2 m Breite und 2 m Tiefgang um 14 m in Rekordzeit anzuheben – eine technische Meisterleistung. Eingeweiht am 11. August 1899 von Kaiser Wilhelm II. lief der Betrieb bis 1969. Heute kann man das komplette Hebewerk begehen und besichtigen, inklusive Trog und Obertürme. Ergänzt wird das Museumsareal durch Schiffe aus den 1930er Jahren, die ebenfalls begehbar sind. Ein bedeutendes Stück Industriekultur.
Das Schiffshebewerk ist stillgelegt komplett begehbar.
Gasometer in Oberhausen
Mit zu den ungewöhnlichsten Ausstellungsflächen im Ruhrgebiet gehört das Gasometer Oberhausen. Mit 117m Höhe und 68m Durchmesser ist es die höchste Ausstellungs- und Veranstaltungshalle Europas. In dem ehemaligen Scheibengasbehälter der Zeche Osterfeld, die bis 1988 in Betrieb war, finden heute spannende Wechselausstellungen statt. Ein gläserner Panorama-Aufzug fährt zum Dach des Gebäudes, von wo man bei klarer Sicht einen Panoramablick über das gesamte Ruhrgebiet hat.
Ab 15. März 2024 präsentiert das Gasometer Oberhausen die neue Ausstellung „Planet Ozean“.
Landschaftspark Duisburg Nord
Mit etwa 180 Hektar ist der Landschaftspark Duisburg Nord einer der größten Parks Europas und wurde von der britischen Tageszeitung „The Guardian“ zu einem der besten Stadtparks der Welt gekürt (u.a. neben dem Park Güell in Barcelona oder High Line in New York). Das ehemalige Hüttengelände der Rheinischen Stahlwerke ist heute Industriedenkmal, Naherholungsgebiet und Refugium für Flora und Fauna, die die Brachflächen neu besiedeln. Neben der industriekulturellen Bedeutung des Areals, entstanden hier auch zahlreiche Freizeitaktivitäten wie Kletterpark, Konzerthallen, Open-Air-Kino etc. Auch Film und Fernsehen haben die Industriekulisse für sich entdeckt und drehen hier Szenen, zuletzt die Hollywood-Produktion „Tribute von Panem“.
Zu den wichtigsten Ereignissen im Jahr zählen die Ruhrtrienale und die ExtraSchicht mit zahlreichen Veranstaltungen.
Der Landschaftspark Duisburg Nord – besonders eindrucksvoll bei Nacht
Zeche Zollern in Dortmund
Im Volksmund als „Schloss der Arbeit“ bezeichnet, ist die Zeche Zollern ein Paradebeispiel für die Kombination von Architektur und Technik.
Der nach den Entwürfen des Berliner Architekten Möhring 1902/1903 errichtete Stahlfachwerkbau steht für den Beginn der modernen Industriearchitektur. Stilistisch bezeichnet sie den Übergang von Historismus und Jugendstil zur Moderne. Der erhaltene historische Maschinenbestand – insbesondere die elektrische Fördermaschine – ist einzigartig in Deutschland. Berühmt ist die Halle vor allem wegen ihres Jugendstil-Portals mit seiner farbigen Verglasung. Ein solches Portal gibt es kein zweites Mal in einem Industriebau in Europa.
LWL-Museum Zeche Zollern
Bereits 1969 wurde die Zeche Zollern als erstes Industriebauwerk Deutschlands unter Denkmalschutz gestellt. Neben den historischen Anlagen um Machinenhalle, Fördergerüst und Verladebahnhof bietet vor allem das 1999 eingerichtete Museum einen guten und eindringlichen Einblick in das tägliche Leben der Kumpel. Hygiene- und Arbeitsbedingungen, aber auch Ausbildungswesen, Arbeitssicherheit und Freizeit werden thematisiert. Ein umfassender Einblick in die Vergangenheit vieler Ruhrgebietsfamilien.
Industriekultur vom Feinsten – Zeche Zollern
Köpchenwerk in Herdecke
Das 1994 stillgelegte Pumpspeicherkraftwerk galt nach Inbetriebnahme 1930 als eines der ersten seiner Art und „technische Errungenschaft“. Die Turbinentechnik und „nachhaltige“ Energie-Erzeugung galten als Modelbeispiel für die Zukunft. Welch große Bedeutung das Kraftwerk für das Ruhrgebiet hatte, lässt sich auch an den Kriegsschäden erahnen. Allein 1940 fanden vier gezielte Luftangriffe britischer Bomber auf das Köpchenwerk statt, zum Glück kam es nicht zu größeren Zerstörungen.
Heute kann man die Anlage im Rahmen einer öffentlichen Führung besichtigen. Neben der historischen Maschinenhalle begeht man auch die Kontrollbüros, Druckrohre und Teile des Außengeländes.
Das Köpchenwerk soll außerdem 2027 Teil der Internationalen Gartenausstellung Ruhr werden.
Einzigartig – das Pumpspeicherkraftwerk am Hengsteysee
Henrichshütte in Hattingen
Zu Hochzeiten arbeiteten 10.000 Menschen in dem Werk an der Ruhr, die sogar für das Hüttengelände umgeleitet worden ist. Der älteste Hochofen im Revier, gewaltige Gasmaschinen und übergroße Bunkeranlagen prägen die Anlage der Henrichshütte. Im LWL-Museums-Standort kann man heute die wechselhafte Geschichte des Industriestandortes erleben. Ob während einer öffentlichen Führung oder individuell, der Werdegang von der Gründung 1854, über die Blütezeit in den 1940ern, bis hin zur Stilllegung 1987 unter großem öffentlichem Protest, taucht der Besucher in die Welt der Stahlindustrie ein. Auch der Verkauf des Hochofen II nach China wird thematisiert.
Ein spannendes Stück Ruhrgebietsgeschichte, dass sich prima mit dem Besuch der pittoresken Hattinger Altstadt kombinieren lässt.
Beeindruckend – die Henrichshütte in Hattingen
Entlang der Route Industriekultur gibt es noch zahlreiche weitere Museen, die tiefe Einblicke in die jüngste Vergangenheit des Ruhrgebietes ermöglichen. Ideal für das ein oder andere verregnete Wochenende im Winter und Frühjahr. Sobald die Temperaturen steigen, sollte man sich aber auch die Berge des Ruhrgebietes, die Halden anschauen. Oft lässt sich sogar beides verbinden, Industriemuseum und Wanderspaziergang auf eine Halde.
Es gibt noch viel zu entdecken!
Eure Nicole