In den letzten Monaten hat sich das „Spazierengehen“ zum Volkssport Nummer 1 entwickelt. Geschlossene Museen, Freizeiteinrichtungen und Gastronomie ließen nur noch ein Vergnügen to Go zu. Ähnlich erging es mir, doch irgendwann ist jeder Weg, jede Straße um den eigenen Wohnort bekannt und man sucht sich neue Nahziele in der Umgebung. So kam es, dass ich nach und nach die Berge des Ruhrgebietes, die Halden, kennen und lieben lernte.
Ursprung und Geschichte
Das Ruhrgebiet ist eigentlich Flachland, durch Bergbau und Industrialisierung entwickelte sich aber ein neues Landschaftsbild. Heute prägen über 250 bis zu 140 Meter hohe, künstlich aufgeschüttete Berge die Region. Viele der neuen Landmarken sind nicht nur renaturiert und begrünt, sondern oft noch zusätzlich mit einem Kunstwerk gekrönt. Zu jeder Jahres- und Tageszeit hat man von diesen Aussichtspunkten ganz besondere Ausblicke auf das Ruhrgebietspanorama. Eine ganz besondere Stimmung herrscht aber zum Sonnenauf- oder untergang. Folgend möchte ich euch meine persönlichen fünf Lieblingshalden vorstellen:
1. Halde Haniel in Bottrop
Die mit 118 Metern zweit höchste Halde im Ruhrgebiet ist die Halde Haniel, ein Paradies für Wanderer und Radfahrer. An der Stadtgrenze zwischen Bottrop und Oberhausen gelegen, bildet die Halde Haniel zusammen mit der Halde Schöttelheide ein 170 ha großes Areal.
Ein besonders bei Fotografen beliebtes Fotomotiv ist die Installation des baskischen Bildhauers Agustín Ibarrola von 2002. 105 aufgestellte Bahnschwellen, die bunt gestaltet wurden, bilden ein Gesamtensemble, dass als Totems (manchmal auch als Windkamm) bezeichnet wird.
Im Talkessel der Halde Haniel hat sich ein kleines Amphitheater versteckt. Die sogenannte BergArena in der ab und zu auch Veranstaltungen stattfinden.
2. Halde Rheinelbe in Gelsenkirchen
Die Halde Rheinelbe liegt am südlichsten Punkt Gelsenkirchens und trägt den Namen der 1931 stillgelegten, gleichnamigen Zeche Rheinelbe. Seit 1999 als Naherholungsgebiet konzipiert, erhebt sich die Halde heute kegelförmig in der Landschaft. Die letzten 20 Höhenmeter bis zum Gipfel werden in spiralförmig angelegten Wegen zurückgelegt. Oben angekommen, erwartet einen die Himmelstreppe. Die 10 Meter Hohe Skulptur von Herman Prigann wurde aus alten Betonblöcken der Kokerei Königsborn hergestellt. Vom Gipfelplateau der Halde Rheinelbe erblickt man bekannte Silhouetten, wie etwa das Fördergerüst über dem Deutschen Bergbau-Museum von Bochum, die charakteristischen Fördergerüste und Schornsteine der Zeche und Kokerei Zollverein in Essen und die Veltins-Arena auf Schalke.
3. Halde Beckstraße in Bottrop
Die wohl bekannteste Halde des Ruhrgebietes ist die Halde mit dem Tetraeder, der Name Beckstraße ist eher unbekannt. Jeder der die Autobahn A42 schon mal zwischen Gelsenkirchen und Oberhausen befahren hat, wird das Tetraeder erblickt haben. 1994 wurde mit dieser Halde der Grundstein für die neuen Besuchermagnete der Landschaftsmarken im Ruhrgebiet gelegt. Das Tetraeder, eine 50 Meter hohe Stahlkonstruktion in der Form einer gleichseitigen Pyramide lässt sich besteigen und bietet von drei, frei hängenden Aussichtsplattformen einen großartigen Blick über das Ruhrgebiet. Bei klarer Sicht kann man von Düsseldorf bis Essen schauen, was dem Tetraeder auch den Titel „Haldenereignis Emscherblick“ eingebracht hat.
Besonders stimmungsvoll ist der Besuch des Tetraeders bei Nacht, wenn die Spitze der Pyramide von der Lichtinstallation »Fraktal« illuminiert ist.
4. Halde Rheinpreußen in Moers
Einen schönen Blick auf den Rhein und Duisburg hat man von der Halde Rheinpreußen am Stadtrand von Moers. Auf dem Gipfelplateau befindet sich die größte Grubenlampe der Welt, ein sogenanntes Geleucht. Eine Hommage an die Bergleute, die unter Tage gearbeitet haben. Die mit 30 Metern übergroße und rot angestrichene Grubenlampe von Otto Piene wurde im Jahr 2007 errichtet und ist heute ein beliebtes Fotomotiv. Gerade bei Beginn der Dämmerung, wenn in der Ferne die Scheinwerfer der Industrieanlagen angehen und die Grubenleuchte selbst in rotem Licht erstrahlt.
5. Halde Hoheward in Herten/Recklinghausen
Mit 220 ha ist der Landschaftspark Hoheward die größte Haldenlandschaft des Ruhrgebietes und Europas. Im nördlichen Ruhrgebiet, an der Stadtgrenze von Herten und Recklinghausen, erstreckt sich das beliebte Freizeitareal. Es gibt viele Zugänge, die sowohl zu Fuß als auch mit dem Rad erklommen werden können. Aussichtsbalkone und eine Promenadenbrücke bieten Verschnaufpausen beim Aufstieg. Auf dem Haldensattel angekommen, bleibt einem die Wahl: erst zum Obelisken, der bei Sonnenschein wie eine Sonnenuhr funktioniert, oder lieber zum Horizontobservatorium? Die größte Landmarke des Ruhrgebietes besteht aus zwei Stahlbögen, die der Himmelsbeobachtung dienen und mit deren Hilfe sich astronomische Ereignisse ablesen lassen können. Leider ist die Plattform unterhalb der Bögen derzeit gesperrt. Ein Besuch der Zwillingshalde lohnt sich dennoch.
In den kommenden Monaten werde ich sicher noch mehr Halden besuchen und erklimmen. Die Landschaftsmarken, egal ob künstlerisch oder kulturhistorisch sind immer ein besonderes Highlight und Teil der Route Industriekultur. Weitere Informationen zum Thema findet ihr unter folgenden Links:
https://www.route-industriekultur.ruhr/
Eure Nicole