South West Coast Path: der schönste Küstentrek Cornwalls

Tausend Kilometer Traumküste, hübsche Städtchen und ständig wechselnde Landschaften – der South West Coast Path ist nicht nur der längste Fernwanderweg Englands. Es ist ein Wanderabenteuer zwischen tosendem Meer, malerischen Steilklippen und den grünen Hügeln des Hinterlands.

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Um den ganzen South West Coast Path von Minehead in Somerset nach South Haven Point in Dorset zu erwandern, benötigt man gleich sieben Wochen am Stück. Die meisten Wanderer teilen daher die Gesamtroute in mehrere Teilabschnitte auf und vollenden den Fernwanderweg erst nach 3 oder 4 Jahren. Wer nicht über so viel Zeit verfügt, dem sei die sechstägige Strecke in Cornwall zwischen Port­reath und Lizard empfohlen. Oder unsere Wikinger-Reise „Cornwall – der idyllische Südwesten“.

Dieser wohl bekannteste Abschnitt verbindet das westlichste mit dem südlichsten Ende Großbritanniens. Seine Etappen führen über Steilklippen und weißsandige Strände, über Viehweiden und in pittoreske Städtchen. Traumlandschaften wie die Kynance-Bucht, die bunt blühenden Küstenhänge oder das in die Felsen gehauene Freilichttheater in Minack gehören zu den Höhepunkten dieses Traumtreks.

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Der Trek beginnt in Portreath, einem vor allem bei Windsurfern beliebten Küstenstädtchen, das über einen schönen Strand verfügt und mit den benachbarten Steilklippen Ralph’s Cupboard gleich auf die Tour einstimmt. Die zerklüftete Küste bildet hier eine kleine Bucht, in der es – der Legende nach – immer noch versteckte Schmuggelware aus früheren Zeiten gibt.

Bis zum Ersten Weltkrieg lebte hier nämlich manch einer vom Schmuggeln, die unzugänglichen Felsen boten das beste Versteck vor den Küstenwächtern. Diese wanderten an der Küste entlang und hielten Ausschau nach Schiffen und illegaler Ware. Das war gewissermaßen der Anfang vom South West Coast Path: Ein Weg der Küstenwächter, der ursprünglich direkt an der Küste entlangführte und sich nun aufgrund der geänderten Landbesitzverhältnisse immer wieder an Balkontüren und Pub­küchen vorbeiwindet.

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1978 wurde er offiziell als Fernwanderweg eröffnet und genießt nun durch den Status eines National Trail besondere Rechte. So konnten beispielsweise Teile des Küstenlandes aus privater Hand zurückgekauft werden und einige Küstenabschnitte wurden zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt.

Heute trifft man natürlich keine Schmuggler oder Küstenwächter mehr, dennoch kommt ein Fernglas immer noch häufig zum Einsatz. Denn vom Pfad aus lassen sich Delfine und Meeresvögel bestens beobachten und so kommen auf dem South West Coast Path nicht nur Wanderer, sondern auch Naturliebhaber auf ihre Kosten. Aber auch ohne Fernglas gibt es viel zu entdecken. Alleine die zerklüftete Küste ist ein Blickfang für sich und sorgt mit ihren Buchten, steil abfallenden Felsen und Stränden immer wieder für spektakuläre Fotomotive.

Von Portreath führt der Pfad zum Godrevy Point, von dem Godrevy Island mit dem Leuchtturm zu sehen ist, um dann gleich zur St-Ives-Bucht abzusteigen. Weißsandiger Strand, etwas weiter südlich durch die blaue Schleife des hier mündenden Hayle-Flusses geteilt, 70 m hohe Sanddünen, rechts ragt der Godrevy-Leuchtturm in den Himmel – eines der unzähligen Landschaftsbilder, die nach der Wanderung am South West Coast Path für immer im Kopf bleiben.
Am Ende der ersten Etappe wartet schon St Ives mit seinen bunten Souvenir-Shops und Fish’n’Chips-Läden.

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Es liegt auf einer schmalen Landzunge, eingerahmt von zwei Sandbuchten, die schaukelnden Boote im Hafen sorgen für Seeromantik. Virginia Woolf lebte hier eine Zeitlang, Maler wie William Turner oder James Whistler liebten das ganz besondere Licht. Aber nicht nur St Ives eilt ein Ruf voraus, ein spezielles Flair zu haben. Ob St Just, Penzance oder Mouse­hole – all die Städtchen haben etwas Gemeinsames, was vielleicht nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Doch wenn man hier eine Woche lang von Ort zu Ort wandert, glaubt man, die Magie Cornwalls entschlüsselt zu haben: Britische Naturstein-Architektur kombiniert mit üppiger, durch den Golfstrom begünstigte Vegetation im klaren, beinahe nordischen Licht und dazu die Steilklippen – dies sind wohl die Grundlagen für die Faszination, die diese Landschaft nicht nur auf Wanderer ausübt.

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Der Abschnitt zwischen Hayle und St Ives (Carbis Bay) führt größtenteils an einer im Sommer stark befahrenen Straße entlang. Es empfiehlt sich deshalb, dieses Stück mit dem öffentlichen Bus zurückzulegen. Hinter St Ives klettert der Pfad wieder auf die Felsen, führt an den herrlichen Buchten von Porthzennor und Pendour vorbei und stößt auf das Bosigran Cliff, eine bei Kletterern beliebte Felswand. Viel Natur, grandiose Aussichten, doch vor Pendeen trifft der Pfad wieder auf menschliche Spuren: Bis 1990 wurde hier Zinnerz abgebaut, die verlassenen Gebäude weisen noch darauf hin.

Dann folgt St Just – eines von diesen zauberhaften kornischen Städtchen, die einen kleinen Abstecher ins Landesinnere wert sind – und danach ist schon Land’s End in Sicht, der westlichste Punkt Englands mit seinen halsbrecherischen Küstenklippen, Granittürmen und -bögen. Nicht ohne Grund zählt Land’s End zu den meist besuchten Aussichtspunkten Cornwalls, wobei die riesige Hotelanlage nur wenige Meter von den Klippen entfernt nicht unbedingt viel zur Schönheit dieses Landstriches beiträgt.

Eine Weile später, bei Porthcurno, zeigt sich auch das Minack-Freilichttheater, ein im 20. Jh. in Fels gehauenes Amphitheater in unglaublicher Szenerie: Direkt neben der Bühne türmen sich Felsen, dahinter glitzert das Meer. Cornwall pur …

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Doch dann kommt die Lamorna-Bucht, die mit ihren sanften grünen Hängen im Vergleich zur spektakulären Land’s-End-Küste irgendwie leise, gedämpft wirkt. Aber vielleicht gerade deshalb ließ sich hier im 19. Jh. eine Künstlergruppe nieder, die sich wie Virginia Woolf und William Turner von der hiesigen Landschaft inspirieren ließ. Viele Künstler besuchten Cornwall, das bis heute bei ­Fotografen und Filmemachern beliebt ist. Das ZDF-Fernsehteam verbrachte hier ganze Monate, um die Romane von Rosamunde Pilcher zu verfilmen.

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Die Filme lösten eine wahre Reisewelle nach Cornwall aus und brachten Rosamunde Pilcher und dem Hauptredaktionsleiter des ZDF sogar den British Tourism Award. Spätestens seit der Verfilmung der Pilcher-Romane ist die herrliche Landschaft Cornwalls in der ganzen Welt bekannt.

Filmreif ist auch der nächste Abschnitt des South West Coast Path, der den Wanderer nach Mousehole bringt. Verschlungene Gassen, Palmen und ein beschaulicher Fischerhafen sorgen erneut für Cornwall-Idylle. Dylan Thomas, einer der bekanntesten englischen Dichter des 20. Jh., verbrachte hier seine Flitterwochen und erhob das Dörflein gleich zum »Loveliest village in England«. Ganz anders wirken die nächsten Orte Newlyn und Penzance, die nur wenige Kilometer nach Mousehole am South West Coast Path liegen.

Großstädtisch laut und auch wenn nicht hässlich – wer jetzt schon die Einsamkeit der wilden Küste vermisst, wird möglichst schnell weiterziehen und ein Stück mit dem Bus fahren. Etwas mehr Zeit sollte man sich dann wieder in Marazion nehmen, von dessen Ufer die Gezeiteninsel St Michael’s Mount liegt, die nicht nur wegen der Namensgleichheit stark an das nordfranzösische Mont Saint-Michel erinnert. Die höchste Erhebung des Eilandes krönt eine Kapelle, die samt der Insel eines der beliebtesten Fotomotive Cornwalls darstellt.

Dann wird der Pfad wieder einsamer, der gewohnte Wechsel zwischen Sandstränden (Perran Sands) und felsigen Landspitzen (Cudden Point) stellt sich wieder ein. Und das kleine Dorf Porthleven ist in dieser Landschaft keineswegs ein Störenfried. Im Gegenteil: Es schmiegt sich an die sanften Hänge, die vielen weißen Hausfassaden spiegeln sich im tiefblauen Meereswasser – die Küste wirkt beinahe mediterran. Porthleven ist der südlichste Hafen Englands und gleichzeitig der Ausgangspunkt für die Wanderungen auf der Lizard-Halbinsel, dem südlichsten Landstreifen Englands.

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Aber nicht nur der geografischen Lage wegen verdient die Halbinsel Aufmerksamkeit, sondern es ist vor allem die grandiose Felsküstenlandschaft, die zu den schönsten am gesamten South West Coast Path gehört. Der Weg führt häufig direkt an der Abbruchkante der Klippen entlang und gewährt spektakuläre Blicke in die Tiefe. Auf die Klippen folgt die Kynance-Bucht, die malerisch von den schwarzen Serpentinfelsen umrahmt wird.

Auch am Lizard Point findet man die schwarzen Felsen und dazu noch sehr viel Grün. Die Hänge des südlichsten Punktes Englands sind mit Gras bewachsen, mit wildem Spargel und Cornwall-Heide – und von der Mittagsblume. Diese verwandelt die Küste im Mai in ein rosafarbenes Blütenmeer. Mit der Blütentracht, den schwarzen Klippen und dem Blau des Meeres erlebt der Wanderer erneut ein prächtiges Farbenspiel. Und auch wenn der Lizard’s Point wie auch Land’s End täglich von Hunderten Touristen angesteuert wird – der Traumtrek vom westlichsten zum südlichsten Punkt Englands gehört mit seinen grandiosen Natur- und Kulturlandschaften zu den schönsten Mehrtageswanderungen Großbritanniens.

Euer Darek