Höhenangst beim Wandern

Machst du dir vor einer Bergwanderung auch Gedanken über Höhenangst? Fragst du dich, ob du die geplante Traumtour bewältigen kannst? Dann bist du damit nicht allein.

Probleme mit Höhenschwindel und Höhenangst beim Wandern und Bergsteigen gibt es immer öfter. In unserem Alltag werden wir kaum noch mit Situationen konfrontiert, die unsere Trittsicherheit und Schwindelfreiheit trainieren und die uns Erfahrungen im steilen Gelände verschaffen. Daher fühlen wir uns auf ausgesetzten Bergpfaden und an besonders steilen Stellen oft nicht mehr wohl. Das muss aber noch keine Höhenangst sein.

Was ist Höhenangst?

Weil Höhenschwindel, Trittunsicherheit und Höhenangst oft verwechselt werden, wollen wir mal schauen, was Höhenangst überhaupt ist. Diese wird zwar beeinflusst vom Mangel an Trittsicherheit und einer fehlenden Schwindelfreiheit, geht aber weit über diese hinaus.

Höhenangst ist eine richtige Phobie, in der Medizin Akrophobie genannt. Übersetzt bedeutet das so viel wie Angst vor der Höhe. Menschen mit Höhenangst bekommen Panik, sobald sie am oberen Rand eines extrem steilen Hanges oder einer steilen Felswand stehen. Die Phobie ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich hier nicht um eine objektive und reale Absturzgefahr handelt, sondern dass die Angst irreal und subjektiv ist. Die Betroffenen können auf absolut sicherem Terrain stehen und trotzdem in Panik geraten.

Eine Felswand kann auch eine psychologische Stütze sein

Dabei ist Höhenangst auch dahingehend subjektiv, dass sie an unterschiedlich gestalteten Stellen auftreten kann. Der eine fühlt sich auf einem schmalen Pfad in einem steilen Hang wohl, bekommt aber Probleme, sobald er auf einem breiten Grat unterwegs ist, wo rechts und links die Orientierungspunkte fehlen.

Es gibt Wanderer mit Problemen auf Hängebrücken oder in Sesselbahnen, wo der Blick direkt nach unten frei wird. Und manch anderer braucht nur ein paar Bäume auf der Talseite, um sich auf schmalen Pfaden wieder sicher zu fühlen.

Nicht jeder steht gern an der Felskante…

Was hilft gegen Höhenangst?

Da Höhenangst keine rationalen Gründe hat und die Betroffenen auch an sicheren Stellen in Panik geraten können, helfen Argumente zur objektiven Sicherheit nur bedingt. Trotzdem ist es gut, in der entsprechenden Situation beruhigend mit den von Höhenangst Betroffenen zu sprechen. Wie bei anderen Phobien hilft kontrolliertes gleichmäßiges Atmen und Entspannung. Die Höhenangst kommt manchmal überfallartig, verschwindet aber oft auch wieder, nachdem sich der oder die Betroffene beruhigt hat.

Die Sicherheit eines erfahrenen Wanderführers oder einer Bergführerin oder eine beruhigende verständnisvolle Wandergruppe helfen dabei, die Attacke zu überstehen. Anschließend kann man die kritische Stelle meist mit etwas Unterstützung bewältigen. Dabei kann vielleicht jemand anderes für ein paar Meter den Rucksack übernehmen und eine helfende Hand gibt die psychologische Sicherheit, die sonst fehlen würde. In der Regel handelt es sich ja nur um kürzere Passagen einer Route, die die Höhenangst auslösen. Und in der Sesselbahn fühlt man sich mit einer Vertrauensperson an seiner Seite auch mit Höhenangst deutlich besser.

Der Blick in die Tiefe: Manchem ein Genuss, dem anderen ein Graus.

Langfristige Maßnahmen gegen Höhenangst

Ist man öfter von Höhenangst betroffen, kann man auch langfristig darauf einwirken. In Extremfällen helfen Medikamente (für die ein Arzt konsultiert werden sollte), es helfen Hypnose und Entspannungstechniken oder Psychotherapie.

Die meisten Betroffenen können sich langsam, nach und nach, an ausgesetzte Stellen gewöhnen. Indem man immer ein Stück über seine Wohlfühlgrenze hinaus geht, kann man sich die Höhenangst Stück für Stück abtrainieren oder sie zumindest reduzieren. Wanderer, die oft in den Bergen unterwegs sind, sind erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit immer weniger von Höhenangst betroffen. Allerdings kann die Höhenangst im Alter auch zunehmen, wenn man nichts dagegen tut.

Die Erfahrung von Sicherheit, Selbstsicherheit und Beherrschung der Angst führt dazu, diese besser in den Griff zu bekommen. Eine wichtige Voraussetzung für die Therapie von Höhenangst ist aber eine objektiv gute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Beides kann man trainieren, vor allem, indem man sein Gleichgewichtsgefühl immer wieder fordert.

In der Gruppe geht vieles leichter

Gezieltes Training von Trittsicherheit und Schwindelfreiheit

Im Fitnessstudio gibt es dazu diverse Geräte und Übungen. Gleichgewichtsfördernde Sportarten wie Yoga, Schlittschuhlaufen, Einradfahren, Turnen, Slacklining uvm. sind extrem hilfreich. Aber auch zu Hause kann man seinen Gleichgewichtssinn wachhalten, z.B., indem man sich möglichst oft auf ein Bein stellt. Beim Zähneputzen oder beim Telefonieren immer auf einem Bein zu stehen wären z.B. zwei gute Übungen.

Beim Treppe steigen sollte man das Geländer ignorieren und immer nur den vorderen Teil der Sohle auf die Treppe setzen. Draußen beim Spazieren gehen kann man jede Möglichkeit nutzen, auf einer Linie zu balancieren. Das kann die Bürgersteigkante sein, oder auch nur die Fugen eines Plattenweges. Und wo es die Natur erlaubt, sollte man ruhig mal die planierten Flächen verlassen und querfeldein laufen. Alles was den Gleichgewichtssinn fordert, trainiert ihn auch.

Wichtig dabei ist, dass man permanent trainiert. Das Gleichgewichtsgefühl setzt sich sonst schnell wieder zur Ruhe. Das gilt auch für die Höhenangst. So sind oft Menschen von Höhenangst betroffen, die nur wenige Wochen im Jahr in den Bergen unterwegs sind und sich sonst kaum größeren Höhen oder schwierigem Gelände aussetzen. Wer permanent seine Trittsicherheit trainiert und immer wieder seine Wohlfühlzone verlässt, der bekommt auch seine Höhenangst besser in den Griff.

Schwindel kann körperliche Ursachen haben

Schwindelfreiheit ist ein weiterer Aspekt beim Behandeln der Höhenangst. Schwindel hat möglicherweise auch körperliche Ursachen. Gerade bei älteren Menschen funktioniert das Gleichgewichtsorgan im Ohr nicht mehr so gut wie in jungen Jahren, einschränkende Ablagerungen im Innenohr lassen sich auf Dauer nicht vermeiden. Auch bei Sehproblemen nimmt Schwindel im Gelände zu.

Diese körperlichen Ursachen sollte man abchecken lassen, wenn man öfter mit Schwindelanfällen zu tun hat. Manchmal hilft vielleicht schon eine andere Brille. Und um die Einschränkungen des Alters auszugleichen, hilft auch wieder gezieltes Training.

Manchmal hilft eine neue Brille, das Schwindelgefühl zu überwinden

Fazit

Körperliche Ursachen oder nicht, um schwindelfrei zu bleiben und die Höhenangst in den Griff zu bekommen sind die oben beschriebenen Maßnahmen existenziell: Ein permanentes Training des Gleichgewichtsgefühls und der Trittsicherheit sowie das dosierte Überschreiten eigener Grenzen.

Ist man stabil auf seinen Füßen unterwegs, kann man sich langsam an immer größere Höhen und immer ausgesetztere Stellen herantasten. So bekommen die meisten Betroffenen auch ihre Höhenangst langfristig besser in den Griff.

Falls Ihr von Höhenangst betroffen seid, ist das kein Hindernis für erlebnisreiche Bergwanderungen. Ihr solltet etwas Trittsicherheit mitbringen und die Bereitschaft, für eine kurze Strecke mal die eigenen Grenzen zu überschreiten. Ein erfahrener Bergwanderführer oder eine Bergwanderführerin stehen Euch zur Seite und sorgen nicht nur für ein gutes Gefühl, sondern auch für objektive maximale Sicherheit.

Die Gemse hat kein Problem mit Höhenangst 🙂

Übrigens…

…wegen einer Phobie muss sich niemand schämen. Selbst harte Kerle wie der Schauspieler und Rapper Will Smith leiden unter Höhenangst, sowie Millionen von Menschen unter Flugangst oder Angst vor Spinnen leiden.

Und noch mal übrigens: Das Training von Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sei natürlich auch den Bergwanderern empfohlen, die nicht unter Höhenangst leiden!

Damit wünsche ich Euch eine erlebnisreiche, sichere und angstfreie Wandersaison… vielleicht treffen wir uns ja irgendwo in den Bergen?!

Bis dahin alles Gute,

Euer Andreas