Nachdem ich im letzten Jahr zum ersten Mal das Wagnis Trekking (Zugspitze – Gardasee 5429T) auf mich genommen habe, traute ich mich in diesem Jahr auf den E5 von Oberstdorf nach Meran. Einen der bekanntesten Weitwanderwege Europas! Das Must Do der Wanderer, neben dem Jakobsweg. 3 Stiefel, über 6.000 Hm Aufstieg und knapp 5.800 Hm im Abstieg warteten auf mich. Und das Ganze auch noch im abenteuerlichen Corona-Jahr – Wahnsinn!
Von Hagen nach Oberstdorf
Angekommen in Fischen bei Oberstdorf lernte ich meine Mitstreiter für die kommenden 10 Tage kennen. Mit Sicherheitsabstand und Maske, ein ganz neues Gefühl. Doch der Reisefreude tat dies keinen Abbruch, alle waren glücklich, dass die Reise nach dem Lockdown im Frühjahr überhaupt stattfinden konnte.
Und auch positive Auswirkungen hatten die Beschränkungen für uns. Der sonst als „Wanderautobahn“ verschriene E5 war so leer wie schon seit Jahren nicht mehr. Schlange stehen auf den Hütten für eine Einkehr? Fehlanzeige, sondern freie Platzwahl. Wir erlebten das seltene Glück auf manchen Teilabschnitten ganz alleine und nur für uns zu sein. Aber der Reihe nach…
E5 Etappenstart zur Kemptner Hütte
Nach unserer ersten Nacht im Allgäu ging es direkt mit einer der spektakulärsten Etappen los. Von der Spielmannsau über die Kemptner Hütte zu Fuß über die Deutsch-Österreichische Grenze bis hinab nach Holzgau am Lech. Zunächst immer dem Bachlauf folgend, erreichten wir schnell an Höhe und fanden uns in einem farbenprächtigen Blumenmeer wieder. Knallblauer Himmel und strahlender Sonnenschein, besser konnte unser Trekking nicht beginnen.
Angekommen auf der Kemptner Hütte gönnten wir uns die erste Hüttenjause, einfach nur lecker!
Kurz darauf erreichten wir dann eines der berühmtesten Fotomotive entlang des E5, das völlig überklebte Grenzschild. Der Selfie-Point schlechthin 🙂
Zum Abschluss des Tages querten wir dann noch die spektakuläre Hängeseilbrücke von Holzgau. Was für ein ereignisreicher erster Tag!
In den Lechtaler Alpen
Der nächste Tag war ein sogenannter fakultativer Tag, Wandern oder Entspannen? Jeder durfte für sich selbst entscheiden. Unsere Gruppe beging geschlossen den Alpenrosensteig im Lechtal. Der Heimat der legendären Geierwally. Das Wetter blieb uns hold und die Stimmung innerhalb der Gruppe wuchs mit jedem neuen Panorama.
Auf dem Alpenrosensteig
Für die nächste Etappe weichen wir der Route des E5 etwas ab. Durch das einsame Pötzichtal steigen wir auf zur Anhalterhütte, malerisch gelegen vor der beeindruckenden Heiterwand. Purer Fels türmt sich vor uns auf. Unser Reiseleiter Peter beschrieb unseren Anstieg wie folgt: steil, dann steiler, zum Schluss am steilsten 😉 das merkten auch unsere Beine. Doch mit genügend Trinkpausen und langsamen Tempo war auch dieser Anstieg zu schaffen. Es belohnte uns unser erstes Gipfelkreuz!
Österreichs höchster Bergsee
Auch den nächsten vermeintlich freien Tag verbrachten wir gemeinsam. Zum Auslaufen (und vor allem wegen der Gewitterwarnung) gab es eine beschauliche Runde entlang des Rifflsees, dem höchstgelegenen Bergsee Österreichs. Türkisfarbenes Wasser speist den See, an dessen Ufer malerisch Kühe grasen. So schön!
Der Rifflsee
In den Bergen sind Sommergewitter keine Seltenheit, auch dies mussten wir miterleben. Obwohl wir rechtzeitig zu unserem 3-Gipfel-Tag (Venet-Überschreitung) aufbrachen, steckten wir nach knapp 2 Stunden Gehzeit mitten in den Wolken, Regen zog auf und in der Ferne rollte ein Gewitter an. So wurde aus unserem 3-Gipfel-Tag leider nur ein 2-Gipfel-Tag und wir stiegen auf der sicheren Schlechtwetter-Variante vom Berg ab. Obwohl wir nicht die komplette Tour laufen konnten, war diese Etappe doch eine von den Erinnerungswürdigsten.
Wandern in den Wolken
E5 Königsetappe zum Rettenbachjoch (2.996 m)
Die Königsetappe steht an: Von Mittelberg über die berühmte Braunschweiger Hütte zum Rettenbachjoch (2.996m) und per Abstieg übers Gletscherfeld zur Talstation. Knackige 1.250Hm Aufstieg, aber was soll´s, schließlich haben wir uns die letzten Tage fleißig eingelaufen. Dieses Mal spielte auch das Wetter wieder mit und ein spektakuläres Fotomotiv reihte sich an das nächste. Da musste ich schon aufpassen den Anschluss an meine Gruppe nicht zu verlieren 🙂 Es gibt auch einige kürzere Kraxel-Passagen, wo man die Hände mit zur Hilfe nehmen muss. Eine Kletterausrüstung ist aber nicht erforderlich. Eisentritte im Fels und Stahlseile an den Seiten helfen zusätzlich. Unserer Gruppe haben diese Passagen super viel Spaß gemacht, auch dadurch, dass wir „mal wieder“ fast alleine unterwegs waren.
Schließlich auf der Braunschweiger Hütte angekommen, gönnten wir uns ein Jausen-Radler und einen der besten Kaiserschmarrn, die ich je gegessen habe 😀 Stärkung vor dem letzten Anstieg. Von der Hütte aus begleitete uns zusätzlich ein österreichischer Bergführer. Dieser punktete mit allerlei Fachwissen über den Rettenbachferner und die Ötztaler Alpen. Am höchsten Punkt unserer Reise angekommen, begann nun eine wilde Rutschpartie. Über das Gletscherfeld stiegen wir ab, wobei der ein oder andere Hintern auch in den Schnee plumpste. Ein irres Vergnügen!
Wandern ist schön, Gletscher sind super aber noch besser ist alles mit Kässpätzle und Radler!
Sölden und Spectre
Am nächsten Tag splittete sich die Gruppe zum ersten Mal. Genau genommen ging nur ich meine eigenen Wege. Die nächste fakultative Wanderung stand an, der ich aber entsagte um mich Sölden und der James-Bond-Welt auf dem Glaisachkogl zu widmen. Somit kam es, dass ich als einzige der Gruppe die 3.000 Hm Marke knackte, wenn auch geschummelt, da mit der Gondel aufgefahren. Am Gipfel hat man einen herrlichen Rundumblick und es wird einem bewusst, warum die Regisseure von Spectre sich für die Dreharbeiten in der Gegend von Sölden entschieden haben. Für jeden Fan ist der Besuch der Elements-Ausstellung ein Muss!
James-Bond Welt Sölden
Auf nach Bella Italia
Auf nach Italien war das Motto des kommenden Tages. Entlang alter Schmugglerpfade durchquerten wir das Tal unterhalb des Timmelsjoch. Eine geschichtsträchtige Etappe mit interessanten Schautafeln am Wegesrand zur Historie des Alpenschmuggels. Am Timmelsjoch angekommen, fühlten wir uns unserem Ziel so nahe wie nie zuvor. Die italienische Grenze, zu Fuß überschritten. Was für ein Gefühl, trotz aufziehendem Nebel 😉
Der letzte Wandertag, unglaublich wie die Zeit vergeht. Zwei Grenzen haben wir schon zu Fuß überschritten und nun sollte der Triumphmarsch nach Meran folgen. Hannibal hatte Elefanten, wir haben unsere Füße, die uns zuverlässig auf unserer letzten Etappe entlang des Meraner Höhenweges ins Etschtal trugen. Durch saftig grüne Felder und Laubwälder wanderten wir ondulierend (mein neues Lieblingswort) die kilometermäßig längste Strecke. Unterwegs kehrten wir bei einem echten Unikat ein. Rosina lebt ganzjährig mit Ihren Ziegen fernab der Zivilisation und verköstigt hungrige Wanderer mit Kuchen und selbst angesetztem Schnaps. Eine Einkehr, die ich nie gefunden hätte, und unvergesslich bleibt.
Auf dem Weg nach Meran
Sehnsuchtsort Meran
Stolz und auch etwas wehmütig kommen wir in Meran an, zurück in der Großstadt. Stolz, dass wir alle das Abenteuer Alpenquerung geschafft haben und glücklich, weil das Wetter größtenteils mitgespielt hat. Wehmütig, da die Querung der Alpen nun schon vorbei ist und die Gruppe sich bald trennen wird. Für mich war es ein Wagnis, da ich noch nie zuvor eine Tour der Kategorie 3 gegangen bin, umso mehr bin ich beeindruckt, was der menschliche Körper mit etwas Mut, Training und Zuspruch schaffen kann.
Endlich am Ziel! Als Belohnung gibt es Germknödel
Wenn ihr jetzt auch Lust bekommen habt das Abenteuer Alpenquerung zu wagen, lasst euch von uns inspirieren:
Wage jetzt dein Alpenabenteuer!
Ich bin schon gespannt, welche Herausforderung als nächstes auf mich wartet…
Eure Nicole