Abenteuer Ostgrönland – „Die Natur entschädigt für alles“

Reisen heißt, weniger dabei zu haben, als man braucht. Ich bin mir nicht sicher, wer das gesagt hat, aber derjenige gehört geteert und gefedert!  Warum – werde ich euch noch erzählen.

Einen Wildnisurlaub in Grönland nimmt man sich nicht alle Tage vor. Und ich schon mal gar nicht. Ich darf mich vorstellen: Ich bin Melanie, Wikinger-Mitarbeiterin, 28 Jahre und meine Wohlfühltemperatur fängt bei 30 Grad PLUS an. Da sich Gegensätze bekanntermaßen anziehen und mein Partner das genaue Gegenteil in Sachen Wohlfühl-Wetter ist, fiel sein Urlaubswunsch auf Ostgrönland. Na, herzlichen Glückwunsch.

Nach zahlreichen Leihgaben von Freunden und Investitionen in Outdoor-Läden war ich perfekt ausgerüstet für die nächste Eiszeit. Langsam stellte sich die Vorfreude ein und auch mich packte das Abenteuer-Feeling!

Obwohl der deutsche Sommer bis Anfang Juli recht unattraktiv war, lachte er uns mit ein paar höhnischen Sonnenstrahlen hinterher, als der Flieger nach Island abhob. Nach einem ca. 3-stündigen Flug erreichten wir Keflavik. Nur noch schnell das Gepäck abholen und dann auf dem Campingplatz Reykjavik ein paar Stunden Schlaf nachholen. Nachdem die ersten Koffer ihre Runden auf dem Gepäckband drehten und wir bereits Ausschau nach eventuellen Mitreisenden hielten, fiel unser Blick auf eine offensichtliche Fehlmeldung auf der digitalen Anzeige des Gepäckband-Displays. Die blinkende Botschaft suggerierte uns, dass sich nun alle Koffer des Fliegers aus Düsseldorf auf dem Band befanden. Unser beider Taschen ganz offensichtlich nicht …

Da uns mit Bedauern bestätigt wurde, dass unser Gepäck zur Zeit noch den deutschen Sommer genieße, gaben wir die Verlustmeldung auf – mit der leisen Ahnung, dass wir unser Eiszeit-Equipment in diesem Urlaub nicht wiedersehen und, zumindest ich, wahrscheinlich den dramatischen Kältetod sterben würde. Denn es ging ja bereits einige Stunden später weiter nach Ostgrönland und dann von Tag zu Tag tiefer in die Wildnis.

Nachdem die Wikinger-Zentrale mit der Suche nach dem Gepäck beauftragt war, tätigten wir die wichtigsten Noteinkäufe in einem Outdoor-Outlet in Reykavik und starteten am Folgetag wie geplant, nur leichter bepackt, nach Kulusuk. Die ersten Eisgiganten erspähten wir bereits aus dem Flieger heraus. Je tiefer der Flieger sank, desto mehr wurde uns das gigantische Ausmaß der Eisflächen bewusst. Der Landeanflug über die Schotterpiste in Kulusuk offenbarte sich bereits als erstes Abenteuer.

Zu unserem Glück verhinderte die hohe Eislage einen Bootstransfer von Kulusuk nach Tasiilaq und wir wurden auf den Helikopter umgebucht. Ich bin noch nie Heli geflogen – und es war der Wahnsinn! Besonders über das türkisblaue Eismeer Grönlands.

Zu unserem „Pech“ veränderte die Eislage allerdings auch unseren geplanten Reiseverlauf, da es für die Boote nicht möglich war, das Gruppenequipment  über den Hauptfjord Sermilik zu transportieren und uns versorgen. Hier in Grönland bestimmt eben nicht das Routenbuch den Reiseverlauf, sondern das Eis und der Wind selbst! Wer sich auf das Abenteuer Grönland einlässt sollte vorher wissen, dass er ein gewisses Maß an Flexibilität mitbringen muss.

Unsere Gruppe, ein in sich harmonischer und verrückter Haufen aus 7 Reisenden, Guide und Co-Guide hatte genug Spontanität und Ideenreichtum, um jeden Ort Grönlands in Lachen und gute Laune zu hüllen. Ganz egal, ob der auf unserer planmäßigen Route lag oder nicht.

Die Orte, die uns Reiseleiter Udo als Alternative präsentierte, ließen nichts vermissen, was wir uns von Ostgrönland versprochen hatten. Ganz im Gegenteil – wir lernten Grönland von Seiten kennen, die wir uns vorher nicht ausgemalt hatten. Weiß getünchte Fjorde mit gigantischen Eisriesen kannten wir schon vorher aus den Bildern, aber das Donnern der brechenden Schollen wurde für uns zur Musik der Wildnis. Für die weitere musikalische Untermalung sorgte das Summen der Heerscharen an Mosquitos. Darauf hätten wir verzichten können, … aber auch das ist Wildnis.

Ein Grönland-Trekking bringt so einige Eigenarten mit sich, an die man sich gewöhnen muss. Mit den einen kann man besser leben, mit den anderen muss man sich arrangieren. Fangen wir mit etwas an, an das ich mich gewöhnen kann: 24-Stunden Helligkeit. Um sich ein Bild davon zu machen, was 24 Stunden Helligkeit bedeuten: Ich hätte rund um die Uhr, mit natürlichem Licht, ein Buch lesen können. Im Zelt – läge es nicht im Hauptgepäck … Aber wahrscheinlich hätte ich es  sowieso nicht gelesen. Die Kartenspiel-Runden im Gruppenzelt oder Stockbrot- und Marshmallow-Exzesse am Feuer waren bestes Abendprogramm in bester Gesellschaft – und unsere Lagerfeuer-Geschichten waren amüsanter als jedes Buch!

Für die Körperhygiene nutzten wir neben dem Meer die klaren Bergflüsse, in deren Nähe wir unsere Zelte aufschlugen. Während ich tagsüber erstaunlich gut mit den Temperaturen klar kam, waren die Badeeinheiten ein härteres Los. Schien die Sonne und das Klima ließ ein „Bad“ zu, wurde man freudig von einer Meute geifernder Mosquitos erwartet. Zog ein kalter Wind auf, blieb man von Stichen verschont, aber fror sich den Allerwertesten ab. Für die Notdurft führten wir einen Spaten von Camp zu Camp, mit dem ein Gemeinschaftsloch ausgehoben und durch Teamwork gefüllt wurde. Nach kurzer Zeit gewöhnt man sich dran. So ein Trekking schweißt zusammen!

Auf unseren Wanderungen durchstreiften wir gemeinsam Schneefelder, weich federnde Moosflächen und Ebenen voll tanzendem Wollgras. Immer wieder blickten wir hinab auf gigantische Fjorde und hinauf zu schneebedeckten Berggipfeln.  Zu meinen persönlichen Highlights zählte unsere Gletscherwanderung, bei strahlend blauem Himmel, auf dessen höchsten Punkt wir uns mit einem Schneemann verewigten.

Trotz aller Entbehrungen, die man beim Abenteuer Ostgrönland macht, wird man am Ende zustimmen, wenn es heißt „Die Natur entschädigt für alles!“. Alles, was wir in diesen zwei Wochen gemeinsam erlebt haben, war umso besser,  weil man es mit den richtigen Leuten teilen konnte. Auf dieser Reise wurden Fremde zu Freunden, mit denen ich ohne zu überlegen ins nächste Abenteuer starten würde!

Und, wann wagst Du das Abenteuer Grönland?

Liebe Grüße, Melanie

 

PS: Unser Gepäck ist übrigens unbeschadet und unbenutzt wieder im Kleiderschrank gelandet. Hat auch seine Vorteile, am Ende der Reise nichts waschen zu müssen! 😉