Wer an Schottland denkt, hat sofort Bilder im Kopf. Der eine von verwunschenen Highlands und kargen Gebirgslandschaften, der Nächste vom goldgelben Whisky im Glas und wieder der Nächste von Dudelsackspielern vor Schlosskulisse. Schottland hat viele Klischees, weiß aber auch damit umzugehen und zu werben. Gewissermaßen lieben die Schotten Ihre eigenen Vorurteile sogar, denn Kilt, Dudelsack und Co. gehören hier zum Alltag und sind keine reine Touristenattraktion. Wer einmal bei Highlandgames in einem kleinen Ort zu Gast war, wird verstehen, was ich meine. Wenn Männer Baumstämme werfen, Frauen den Sling tanzen und dazu laut „Flower of Scotland“ ertönt ist man mittendrin – in der Seele Schottlands.
Folgend möchte ich euch neben bekannten Highlights einige noch unbekanntere Reisetipps mitgeben, die man in Schottland nicht verpassen sollte:
1. Edinburgh & Glasgow
Die zwei Städte an denen man in Schottland nicht vorbei kommt. Laut Volksmund liegen sie seit Ewigkeiten im Clinch – ähnlich wie der BVB und Schalke, nur dass es hier nicht zum Derby kommt. Edinburgh, die ehemalige Königsstadt präsentiert sich mondän, aufgeräumt, historisch höchst bedeutsam mit einer Architekturvielfalt, die in Schottland ihresgleichen sucht. Manchmal wirkt Edinburgh fast wie eine Märchenkulisse in einem Vergnügungspark, J.K. Rowling sammelte hier viel Inspiration für ihre Harry Potter-Bände. Und zum jährlichen Military Tattoo Festival gleicht die ganze Stadt einem Hexenkessel für Musikliebhaber.
Glasgow hingegen wird seinen Ruf als ehemalige, schmutzige „Arbeiterstadt“ einfach nicht los. Hier wurde malocht, wie man bei uns im Ruhrgebiet so schön sagt. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich eine so große Sympathie gegenüber Glasgow empfinde. Hier leben echte Menschen, hier wird geliebt, geschwitzt, gearbeitet. Viele schottische Musiker und Künstler haben hier ihre Wurzeln. Simple Minds Ohrwurm „Don´t you forget about me“ könnte auch der Werbeslogan für die Stadt sein. Und wieder eine Parallele zum Ruhrgebiet – dort wo früher Werften, Hafenanlagen und Schwerindustrie die Luft- und Lebensqualität verpesteten, befinden sich heute Grünanlagen, Kulturzentren und Naherholungsgebiete.
Ich kann nur sagen, mein Herz schlägt für beide Cities Schottlands.



Edinburgh & Glasgow – zwei wunderbare Städte die keinen Konkurrenzkampf nötig haben
2. Seafood satt
Wer frischen Fisch und Meeresfrüchte liebt, kommt in Schottland voll auf seine Kosten. Im Gegensatz zur englischen Küche (die einen vergleichsweise schlechten Ruf hat) schlemmen die Schotten recht gerne. Und zwar nicht nur Flüssigkeiten im Glas, zum Whisky kommen wir aber auch noch 😉
Oban, ein hübscher kleiner Ort an der Westküste, ist bekannt für seine bunten „Schellfisch-Buden“ am Hafen. Quasi frisch vom Kutter bekommt man hier Jacobs-Muscheln, Austern, Langustinen und und und zum kleinen Preis. Aber auch im Rest des Landes, sowie auf den Inseln gibt es neben hervorragenden Fish & Chips eine große Bandbreite an Köstlichkeiten. Nicht zu vergessen, der schottische Wildlachs, der im eigenen Land nochmal besser schmeckt. Man munkelt, die Nähe zum französischen Königshaus in der Vergangenheit hat die Liebe zum Essen nach Schottland gebracht. Belegt ist es nicht, aber eine schöne Anekdote.



echt schottisches Seafood ist ein Genuss
3. Nessie und andere Legenden Schottlands
Jeder hat sicherlich schon mal vom Monster von Loch Ness, liebevoll Nessie genannt, gehört. Wer aber in den High- oder Lowlands schon mal bei einer Wanderung in den Nebel geraten ist, an der Küste von Gischt und Wind gepeitscht wurde oder in einer alten Burgruine Schattenspiele beobachtet hat, der wundert sich nicht, dass die schottische Märchen- und Mythenwelt weitaus vielfältiger ist als angenommen. Im Meer tummeln sich Selkies – Fabelwesen halb Mensch, halb Robbe. In der Anderswelt leben Feen, Elfen und Irrwichte, parallel zu uns auf der Erde. Wenn die beiden Welten zusammentreffen, passieren mysteriöse Dinge. Seit 2013 ragen zwei knapp 30 m hohe Kelpies (Wassergeister) aus rostfreiem Stahl des Künstlers Andy Scott bei Falkirk in die Höhe. Ein Besucherhighlight und zeitgleich eine Hommage an die Sagenwelt Schottlands.
Ich kann jedem nur empfehlen, ein Märchenbuch auf seine Reise durch Schottland mitzunehmen und hier und da mal literarisch in der Anderswelt zu versinken.




Nessie, Selkie, Kelpie und Co. – die schottische Sagen- und Mythenwelt ist phantastisch
4. Tartan – das Schottenkaro
Das Schottenkaro hat längst Einzug in die Modewelt außerhalb Schottlands gehalten. Egal ob als enge Karottenhose für die Punk-Bewegung, als Innenfutter für luxuriöse Trenchcoats oder farbenfrohes Accessoire in Form eines Schals. Oft habe ich von meinen Gästen während der Schottland-Rundreisen gehört, dass sie glauben, der Tartan zeigt die Clan-Zugehörigkeit an. Das ist nur halb richtig. Ursprünglich erkannte man die Clans an den jeweiligen Pflanzen, die sie an ihrem Barett geheftet hatten. Den Campbells zum Beispiel wurde die Myrte zugeordnet, den Frasers die Eibe (viele Grüße an alle Outlander-Fans) und den MacDonalds das schottische Heidekraut. Das Karomuster wurde eher Regionen zugeordnet.
Der Tartan und auch der Kilt sind heutzutage das Symbol für den schottischen Nationalstolz. Nach Niederschlagung des Jacobitenaufstandes wurde mit dem Disarming Act 1747 das Tragen der traditionellen Kleidung, das Spielen des Dudelsacks, die gälische Sprache und vieles mehr, das zur Nationalkultur gehörte, verboten. Die schottische Identität ging lange Zeit verloren.
Walter Scott, dem Autor von Waverly und Ivanhoe, ist es zu verdanken, dass der Tartan und das Kulturgut 1822 zurückkehrte. Walter Scott beriet den englischen König George IV vor Antritt seiner Amtsreise nach Schottland. Um beim Volk einen positiven Eindruck zu erwecken, trat George IV daraufhin im Kilt auf, was ihm nicht nur Sympathien einbrachte, sondern im gesamten Britannien eine Highlander-Romantik auslöste.
Heute ist der Tartan aus Schottland und auch den Souvenirläden nicht mehr wegzudenken. Decken, Schals, Kilts, aber auch Schuhe, Taschen und andere Alltagsgegenstände werden vom Schottenkaro geziert. Wichtige Organisationen oder Prominente lassen sogar ihren eigenen Tartan in Wunschfarben designen. So hat sogar das im Edinburgh-Zoo lebende Panda-Paar einen eigenen Panda-Tartan.



ein modisches Highlight von traditionell bis modern – der Tartan (das Schottenkaro)
5. Wanderwege soweit das Auge reicht
Wer Outdoorurlaub liebt, ist in Schottland genau richtig. Zugegeben, mit Regen und Wind sollte man immer rechnen, das Wetter ist aber deutlich besser als sein Ruf. Und so sind sonnige Tage mit blauem Himmel keine Seltenheit. Wer gerne auf Schusters Rappen unterwegs ist, findet eine ganze Fülle an Wanderwegen quer durchs Land. Am bekanntesten ist sicher der West-Highland-Way (155 km). Aber auch der Great-Glen-Way (127 km) oder der Rob Roy Way (127 km) sollte nicht übersehen werden.
Wer hingegen lieber mit dem Zweirad (egal ob mit oder ohne Motor) unterwegs ist, der sollte sich die Traumroute der North Coast500 ab/an Inverness mal anschauen. Auf 500 Meilen schlängelt sich eine Panoramastrecke durch den Nordwesten Schottlands, die zu den schönsten Roadtrip-Strecken der Welt gehört.




Wanderwege gibt es in Schottland reichlich
6. Hochlandrinder & Papageientaucher
„Cuteness overload“ würde man bei Social Media schreiben. Die flauschigen Hochlandkälbchen mit Ringellocken und Pony sind nicht nur ein populäres Fotomotiv, sondern neben Nessie-Quietsche-Enten und Schottenkaro-Schals das beliebteste Souvenir des Landes. Ob als Kühlschrank-Magnet, Geschirrtuch oder Kuscheltier. An den Haairy Coo´s wie sie hierzulande heißen kommt keiner vorbei. Ein ähnliches Phänomen gibt es an der Küste und auf den Inseln mit den putzigen Papageientauchern. Diese sind nicht nur in Island beheimatet, sondern auch auf den Hebriden und daher das Maskottchen dieses Landstriches. Wer kann da schon widerstehen?

7. Auf Du und Du mit Duke, Earl und Lord
Wer schonmal am romantischen Rhein eine Flussfahrt unternommen hat, weiß, die Schlösserdichte in Deutschland ist hoch. Noch höher ist sie in Schottland. Hinzu kommt, dass die meisten Schlösser, Burgen und Paläste hier noch in Familienbesitz sind und zum Teil von diesen auch bewohnt werden. Da kann es schonmal passieren, dass der Duke höchstpersönlich im Schlosscafé an der Kasse steht und den Cappuccino abrechnet. Wenn man dann so ins Plaudern kommt, stellt man auch sehr schnell fest, die schottischen Adligen sind auch nur Menschen und haben fast die gleichen Probleme wie wir. Steigende Heizkosten, ausbleibende Einnahmen durch den Brexit und Landflucht der jungen Bevölkerung in die Städte. Sehr sympathisch und auf dem Boden geblieben. Und wer kann von sich schon behaupten, mal von einem echten Duke bedient worden zu sein?



Schlösser und Burgen gibt es in Schottland reichlich
8. Whisky aus Schottland
Für viele ist Whisky mehr als nur ein alkoholisches Getränk. Ein Genussmittel, eine Kultur, eine Liebeserklärung, ja vielleicht geht der ein oder andere so weit und spricht von Religion. Fakt ist, in Schottland gibt es zahlreiche Destillerien, von großen internationalen Marken bis hin zu kleinen Micro-Destillen. Die Aromenvielfalt der schottischen Whiskys geht von blumig-fruchtig bis rauchig-torfig. Der wahre Kenner weiß sie alle zu schätzen. Aber nicht nur Whisky-Liebhaber kommen bei einer Tour durch eine Destillerie auf ihre Kosten. Viele Besucherzentren zeigen mehr, als nur die reine Produktion des Getränks, daher sollte man mindestens eine Destillerie bei einer Schottland-Reise besichtigen. Wer nicht genug bekommt, der kann entlang des Malt-Whisky-Trails in drei Tagen neun Destillerien besuchen. Aber bitte fahren lassen und nicht selbst hinters Steuer setzen. 😉





Mehr als nur ein Getränk – eine Lebensphilosophie: der Whisky
9. Moviefeeling pur
Braveheart, Outlander, Game of Thrones, Harry Potter, Downtown Abbey… die Liste der Filme und Filmkulissen, die in Schottland spielen oder gedreht wurden ist lang. Kein Wunder, denn die mystischen Highlands, verwunschene Schlösser und Ruinen wirken oftmals wie aus einer anderen Zeit. In vielen Besucherzentren gibt es entsprechende Hinweistafeln, welche Szenen oder Sequenzen in der atemberaubenden Landschaft gedreht worden sind. Auch wenn man hin und wieder durch die Retouchiereffekte der Filmbranche irritiert wird.
So wurde im Tal von Glencoe ein Teil des James-Bond-Films Skyfall gedreht. Im Film rast 007 mit seinem Aston Martin durch das enge Tal, auf sein Elternhaus zu, das an der Küste steht. In Wirklichkeit liegt das Tal von Glencoe im Landesinneren und das Skyfall-Herrenhaus existiert nicht. Dieses wurde nur für die Dreharbeiten in Leichtbauweise in Surrey/England errichtet und die Szenen hinterher zusammengeschnitten.

Kommt da etwa der Zug nach Hogwarts?
10. Pubs, Pints & Pipers
Ja, zum Schluss noch mal Klischee pur. Dennoch, Pub-Besuche mit Bier und Dudelsackmusik gehören einfach zu Schottland, wie Wanderschuhe zum Wanderurlaub. Wer nicht einen Abend in einem urigen Pub verbracht hat, war nicht wirklich in Schottland. Und keine Sorge, es kommt nicht auf die Anzahl der alkoholischen Getränke an, es gibt auch ausreichend Alternativen, sondern vor allem auf das Lebensgefühl. Der Pub ist in Schottland das, was in den 80ern in Deutschland die Eckkneipe war. Hier trifft man sich nach Feierabend, tauscht Klatsch und Tratsch aus, trifft seine Nachbarn und vielleicht auch die Frau fürs Leben. Der Pub ist der gesellschaftliche Mittelpunkt eines jeden Ortes und oftmals sogar das Herz der Gemeinschaft. Wer sich mal verirrt hat und nicht weiterweiß, dem wird im Pub geholfen. In schottischen Pubs gibt es keine Fremden, sondern nur gute Freunde. Klingt zwar kitschig, ist aber so! Wer einmal mit seiner Wikinger-Gruppe spontan in ein Pub-Quiz geraten ist, wird quasi direkt eingebürgert. Slainté!


Pubs & pipers gehören in Schottland einfach zusammen
Ich hoffe, ich konnte euch mit meiner Begeisterung für Schottland anstecken und freue mich, vielleicht bald gemeinsam mit euch in die Seele Schottlands einzutauchen.
Nicole